ADAM GREEN: DER SÜSSE DUFT VON ANARCHIE

STÄNDIG KREISCHT WER, POLIZISTEN SCHAUEN VERDUTZT. WER MIT ADAM GREEN ÜBER DEN BERLINER 1. MAI (2016) SCHLENDERT, KANN WAS ERLEBEN.

01. Mai 2016 Myfest Berlin Kreuzberg

Es scheint ihn selbst zu überraschen. Alle zwei Minuten kreischt jemand, kommt herüber gerannt, umarmt ihn herzlich und will ein Selfie machen. Er lässt es über sich ergehen, macht Smalltalk, nippt am Bier.

Adam Green ist kein normaler Popstar. Ein Star ist er eigentlich nur hier, in Deutschland. Der New Yorker Sänger, früher bei den Moldy Peaches, seit einigen Jahren solo, berührt seine Fans. Mit nach außem gekehrtem Ego, mit ungefilterten Bekenntnissen wie:

Carolina, she’s from Texas

Red bricks drop from her vagina

Oh, her lips taste just like sunk ships

But her breasts taste just like breakfast

Ob er sich hier, auf dem 1. Mai, dem Tag der Arbeit wohlfühle? „Ich kann mich mit kollektiven Organisationsformen wie der Occupy-Bewegung identifizieren“, sagt Green und holt sich ein neues Bier. Die Straßen werden voller, ein Teenager-Mädchen macht ein weiteres Selfie mit Green, rennt zu ihrer Freundin und prahlt:

„Ich hab gerade Adam Green getroffen.“

„Krass, echt?“

„Ja!“

(Pause) „Wer ist das?“

(Pause) „Keine Ahnung.“

Adam-Green-Fans sind Ende zwanzig, Anfang Dreissig. Sie haben Abi gemacht oder gerade schon studiert, als der Ur-Enkel von Franz Kafkas Verlobter Felice Bauer, mit Songs über „Jessica Simpson“ und „Old Movies“, intellektuelle Verfeinerung mit Witz und Melancholie gekoppelt hat. So konnte man jung, schlau, rebellisch und etwas verwegen zugleich sein, ohne dass es peinlich wurde. Irony war damals noch nicht ganz over. Heute, der Bauch ist ein klein wenig runder, der Blick etwas weniger spöttisch als damals, sagt Green, sein Unterbewusstes liege ihm sehr nahe. „Ich sehe die Welt wie durch verschiedene Kameras aus verschiedenen Perspektiven. Und alle fünf Sekunden schaltet jemand um.“ Was anstrengend klingt. Ecke Oranien- und Adalbertstraße steigt er auf eine Leiter und posiert mit einer überdimensionierten Schaumstoff-Hand. Dann schlendert er Richtung Kottbusser Tor, ein Redakteur vom „Rolling Stone” erkennt ihn, macht ein Selfie, Green wirkt jetzt müde. 

Mit einem Cheeseburger in der Hand erspäht Green dann auf einmal ein Bobby Car, setzt sich drauf, rollt los und schneidet einen Polizeiwagen. Er lächelt jetzt. So viel Subversion und Anarchie (noch immer) muss sein.

Am Abend wird er seinen neuen DIY-Film Aladdin mit selbst eingespieltem Soundtrack präsentieren. Darin spielen u.a. Macaulay Culkin („Eine hyperintelligente und suversive Kraft innerhalb der amerikanischen Kultur“ – Green) und der berühmte italienische Künstler Francesco Clemente Nebenrollen. Was ihn an Aladdin interessiert? „Der Gegensatz von wahrer Liebe und dem Streben nach unbegrenztem materiellen Reichtum.“ Passt doch zum 1. Mai.

 

Text Timmi Vau

Foto David Fischer

Aus der Ausgabe Intersection No. 26

 

 

 

 

 

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