Formel 1 Warfare

Das Comicbuch „The Art of War: Five Years in Formula One” ist der vielleicht ungewöhnlichste Blick hinter die Kulissen der Ecclestone-Ära 

Ein unerwarteter Rücktritt schockierte 2012 die Welt der Formel 1: Schein- bar ohne Vorwarnung verabschiedete sich Adam Parr, Chef des Williams-F1-Teams und designierter Thronfolger von Sir Frank Williams, nach erfolgreichen fünf Jahren aus dem Motorsport. Was war passiert? Wenige Monate später erzähle Parr seine Geschichte in dem Comicbuch „The Art of War: Five Years in Formula One”. Wir haben mit ihm gesprochen.

 

INTERSECTION: Sie haben 2006 angefangen, für das Williams Formel-1-Team als Geschäftsführer zu arbeiten. Fünf Jahre später haben Sie das Team als Vorstandsvorsitzender verlassen. Was war das für eine Zeit damals?

ADAM PARR: Als ich Ende 2006 an- fing, war klar, dass der Formel-1-Sport von den exzessiven und unnötigen Kostenstrukturen untergraben wurde. Für mich und mein Team war es ein strategisches Ziel, einen besseren Kostenausgleich zu erreichen. Das ist natürlich eine Herausforderung in vielen Sportarten, wo es aber zum Beispiel vielleicht Gehaltsobergrenzen gibt oder die Fair-Play-Regeln im europäischen Fußball. In der Formel 1 dagegen wurden gigantische Summen ausgegeben, um Performance einzukaufen. Wir wollten daher eine Kostenstruktur, die es jedem Team erlauben würde, profitabel zu operieren, und gleichzeitig den Wettbewerb wieder gerechter machen.

Nach ihrem Ausscheiden bei Williams haben sie ein Comicbuch über ihre Zeit in der Formel 1 herausgebracht, „The Art of War”. Ist die Formel 1 ein Kriegsgebiet?

Der Titel ist natürlich eine Metapher. Aber ich erinnere mich an einen Vorfall damals, als ein Team mit Absicht mit einem Fahrzeug in eine Wand gefahren ist, um ein Rennen zu gewinnen. Was ich mit dem Titel meine: Formel 1 ist ein intensiver Konkurrenzkampf auf allen Ebenen. Man ist nicht nur auf der Rennstrecke im Wettbewerb, sondern auch wenn es um Sponsoren geht, um Geld, darum, die Regeln zu beeinflussen. Es gibt wenige Bereiche im Sport – vielleicht der America’s Cup oder Le Mans – bei denen Regeländerungen einzelne Teams so sehr begünstigen können.

Das Buch kam ja nur ein paar Monate, nachdem sie Williams verlassen hatten. War es ihr Weg, das alles zu ver- arbeiten?

Genau. Es war wie eine Therapie. Es sollte keine Rache werden, sondern einfach nur diese Welt beschreiben. Viele Menschen verfolgen die Formel 1. Ich dachte, es wäre auch interessant, sich diese Welt durch die Augen eines Geschäftsmannes anzusehen, der vorher absolut nichts mit dem Sport zu tun hatte und der sich plötzlich in der Position des Geschäftsführers eines der ältesten Teams wiederfindet. Mein Buch sollte eine neue Perspektive auf den Sport eröffnen. Aber ja, es war so etwas wie eine Kunsttherapie.

Das Genre Comicbuch ist ja eher un- gewöhnlich, um so eine Geschichte zu erzählen.

Ich habe als Kind „Tim und Struppi“ und „Asterix“ gelesen und habe Comicbücher schon immer geliebt. Das Schöne an Comics ist, dass man Situationen, in Meetings zum Beispiel, einfach zeigen kann und den Protagonisten, wie Bernie Ecclestone, die Sätze, die sie gesagt haben, in die Sprech- blasen schreiben kann. Mein Buch hat vielleicht nicht jedem gefallen, aber keiner hat sich darüber beschwert, dass ich jemandem falsche Aussagen oder Zitate zugeschrieben hätte. Und der Zeichner Paul Tinker hat die Menschen und Situationen unglaublich gut getroffen. Bernie zum Beispiel hat eine ganz charakteristische Art, sein Handy zu halten. Die hat Paul perfekt getroffen. Der Prozess, so ein Buch zu machen, ist, dass man auf der einen Seite die Dialoge schreibt und parallel dazu eine Art Storyboard mit Anweisungen für die „Kamera“. Nebenbei habe ich Bilder von Personen und Ereignissen gesammelt. Dann hat Paul einen einfachen Schwarz-Weiß-Sketch der ganzen Story gemacht. Nachdem wir das dann gemeinsam durchgegangen sind, hat er die finalen Zeichnungen angefertigt. Wenn man selbst kein Künstler ist, ist es wirklich schwierig, ein Comicbuch zu machen, und ich hatte Glück, auf Paul zu treffen. Der Stil des Buches ist so etwas wie eine Hommage an Frank Miller, von dem ja auch „Sin City“ und verschiedene „Batman“-Bücher sind.

In den Jahren bei Williams hatten Sie einige Kämpfe mit Bernie Ecclestone auszuhalten. Wie war das für sie, als er sich aus der Formel 1 zurückzog? Oder ist das Kapitel Formel 1 für Sie komplett abgeschlossen?

Ich denke, bei der Formel 1 gilt: Entweder du bist drin, oder du bist draußen. Aber wenn sich jemand wie Bernie Ecclestone aus dem Sport verabschiedet, dann ist das natürlich ein wichtiger Moment. Ich habe da gemischte Gefühle: Einerseits war ich nicht da

mit einverstanden, wie er die Formel 1 führte, aber ich sehe auch, was er geleistet hat. Er ist ein bisschen zwielichtiger Charakter, aber seine Art war auch faszinierend. Er ist ein sehr interessanter Typ, charmant und auch jemand, der sehr großzügig sein konnte. Mit ihm – und auch gegen ihn – zu arbeiten war eine Erfahrung. Ich denke, viele werden ihn vermissen. Vielleicht nicht den Effekt, den er hatte. Für ihn war alles ein Nullsummenspiel. Wenn Du etwas bekommst, dann bekommt er automatisch weniger. In seiner Welt gibt es keine Win-Win-Situationen. Seine Methode war: Teile und herrsche. Das hat aus meiner Sicht dazu geführt, dass viele ständig zurückstecken mussten. Aber die Teams waren ja auch selbst schuld, weil sie sich nicht organisiert haben.

Zu ihrer Williams-Zeit ging es auch mit der Hybridtechnologie los, sie haben das ja selbst unterstützt. Wie stehen Sie zur Formel E?

Ich denke Alejandro Agag hat einen wahnsinnig guten Job gemacht, die Formel E aufzubauen. Jetzt wollen viele große Hersteller mitmachen, um so grün wie möglich zu erscheinen, auch wenn 99 Prozent ihrer Autos mit Verbrennermotoren fahren. Das ist eine Imagefrage. Meine Fragezeichen sind einmal die Batterien und die Performance, um die Rennen länger und spannender zu machen. Und weiter glaube ich, dass die Formel E aufpassen muss, nicht dieselben Fehler wie die Formel 1 zu machen, und die Kosten ausufern zu lassen. Das ist die Gefahr, die von den großen Marken ausgeht: Sie fangen an, mit dem Geld um sich zu werfen, weil sie um jeden Preis gewinnen wollen. Eigentlich ist das lächerlich. Denn so oder so: Am Ende kann nur einer gewinnen. Das große Geldverpulvern ändert fundamental nichts. Aber das ist einfach nicht ihre Logik, sie können nur den Geldhahn aufdrehen. Und das ist schlecht für jeden Sport.

Sind sie ein Petrol-Head? Oder war die Formula 1 nur ein Business?

Als kleiner Schuljunge bin ich immer extra mit dem Zug nach London gefahren, um mit bei dem Mercedes-Händler und dem Aston-Mar- tin-Showroom die neuesten Prospekte einzusammeln. Ich liebe Autodesign, mich hat die Technik der Formel 1 immer begeistert und es war zu meiner Zeit bei Williams immer das Größte, durch die Fabrik zu laufen und den Mitarbeitern zuzusehen, wie sie die phantastischen Fahrzeuge gebaut haben. Ich liebe auch den Prozess, die Geschwindigkeit, die Tatsache, dass man von Null in ein paar Monaten zu einem fertigen, verlässlichen Hochleistungsfahrzeug mit ein paar tausend Komponentent kommt. Das wird man nie vergessen, wenn man die Formel 1 verlassen hat. 

 

Interview: Alexander Batke-Lachmann

Illustrationen: Paul Tinker

 

The Art of War: Five Years in Formula One
Autor: Adam Parr Zeichner: Paul Tinker
Der Geschäftsmann Adam Parr schildert seine Erlebnisse
an der Spitze des Williams Formel 1 Teams.

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