33 RPM: Die coolsten Auto-Cover

PLATTENCOVER SIND FEINE SEISMOGRAFEN DES ZEITGEISTS. EINIGE VON IHNEN ILLUSTRIEREN IHRE SICHT DER DINGE AN EINDRUCKSVOLLEN AUTO-MOTIVEN UND ERZAEHLEN SO EINE GESCHICHTE DER LETZTEN 50 JAHRE. WIR HABEN UNS FUER JEDE DEKADE VINYLGESCHICHTE EIN ALBUMCOVER VORGENOMMEN.

CANNONBALL ADDERLEY: SOPHISTICATED SWING (1957)

1957 war die Welt noch in Ordnung, jedenfalls beim Alto-Saxophonisten Cannonball Adderley. Das Cover zu dessen fünften Album Sophisticated Swing zeigt eine an Marilyn Monroe erinnernde Schönheit aus einem damals so modernen wie eleganten Mercedes 300S Cabriolet steigen. Nur 760 Wagen wurden davon produziert, damit ist er seltener als der berühmte Flügeltürer SL und war der teuerste Mercedes seiner Zeit – und technisch bald überholt. So wie der Bebop Sound von Cannonball. Die aufregenden 60er standen vor der Tür und mit ihm die musikalische wie gesellschaftliche Revolution.

DONALD BYRD: A NEW PERSPECTIVE (1963)

Die 50er- und 60er-Jahre-Plattencover-Designs von Reid Miles für das Label Blue Note Records haben wohl genau so viel zum coolen Image des Jazz beigetragen wie der minimalistische Sound Miles Davis’ und die dandyhafte Garderobe Dexter Gordons. Das berühmteste dieser Plattencover mag jenes zu Donald Byrds Gospel Hommage A New Perspective von 1963 sein. Reid selbst fotografierte den Trompeter mit einem damals erst wenige Jahre alten Jaguar E-Type. Die unkonventionelle Perspektive des Fotos, der selbsterklärende Titel des Albums und der damals als innovativ und zukunftsweisend geltende Jaguar symbolisieren den Aufbruchsgeist der frühen 60er-Jahre.

KRAFTWERK: AUTOBAHN (1974)

1974 erscheint Autobahn, das vierte Album der Düsseldorfer Techno-Pioniere Kraftwerk. Die namensgebende Single beginnt mit einer roboterhaften Fanfare, dann beginnt der Beat zu tänzeln. Die Roboter werden zum Leben erweckt. Das Cover des Albums zeigt so simpel wie genial das deutsche Autobahn-Piktogramm. Anfang der 70er war die Begeisterung für die großen Bewegungen der späten 60er-Jahre merklich abgekühlt. Der sozialen Revolution setzen Kraftwerk mit Autobahn das nüchterne, wenn auch leicht ironische (die Ölkrise von 1973 war erst ein Jahr alt) Modell eines von Ingenieuren verwalteten Idealstaates entgegen. Dass das genau den Zeitgeist traf, zeigten die vorderen Platzierungen in den internationalen Billboards.

HUSKER DÜ: ZEN ARCADE (1984)

Endgültig auf den Schrottplatz der Geschichte scheint die Punk- und Indie-Band Hüsker Dü aus Minneapolis die großen Gesellschafts-Utopien geschmissen zu haben. Das Konzeptalbum Zen Ar- cade erzählt die Geschichte eines jungen Rebellen, der aus seinem tristen Zuhause abhaut, nur um zu merken, dass es draußen noch schlimmer ist. Mitte der 80er-Jahre war die große Zeit des Punk vorbei, die Euphorie der grell-bunten 90er-Jahre noch fern. Die „Trash-Oper“ („Rolling Stone“) Zen Arcade zog vom Club auf den Schrottplatz und mit ihr die ehemals für den Wohlstand der Mittelschicht stehenden Limousinen, der hier der Auto-Hölle entgegenrosteten.

JAMIROQUAI: TRAVELLING WITHOUT MOVING (1996)

In den 90er-Jahren kommt der Gute-Laune-Hedonismus zurück. Von Jamiroquais 1996er-Hitalbum Travelling Without Moving ist aber vor allem das von Adrian Moat in Cabo de Gata, Spanien gedrehte Musikvideo für Cosmic Girl in Erinnerung geblieben. Was wiederum fast ausschließlich an den drei hier verwendeten Supersportwagen – einem lila Lamborghini Diablo SE30, einem schwarzen Ferrari F355 Berlinetta und dem roten Ferrari F40 des Pink-Floyd-Schlagzeugers Nick Mason – liegt. Eingeprägt hat sich zudem das reduzierte Cover mit dem stark an Ferrari angelehnten Jamiroquai-Logo. Sänger Jay Kay war schon vor dem Welterfolg der Band autovernarrt und hoffentlich auch gut versichert. Noch vor dem eigentlichen Videoshoot von Cosmic Girl verursachte ein Testfahrer mit Kays eigenem Lamborghini einen Totalschaden.

LIL WAYNE THA CARTER II (2005)

Bisher ist Lil Waynes von Fans und Kritik gleichermaßen gefeiertes Album Tha Carter II allein in den USA bald eineinhalb Millionen Mal verkauft worden. Von den Tantiemen allein wird sich der 1982 in New Orleans geborene Musiker sicher mehr als nur einen des auf dem schwarz-weißen Cover zu sehenden Rolls-Royce leisten kön- nen. Natürlich ist der Rolls eine etwas banale Wahl, aber eben auch das Signal für Reichtum und gesellschaftlichen Aufstieg schlechthin. Denn wer in der Neuen Welt wie ein englischer Lord zum Cruisen rausfährt, der hat’s zu was gebracht. Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis sich Rap-Stars statt vor einem Edelschlitten aus Europa vor einem Tesla oder Faraday Future ablichten lassen.

FRANK OCEAN: NOSTALGIA, ULTRA. (2011)

Wenn man Frank Oceans sensiblen R&B hört, denkt man nicht gerade an tiefergelegte Rennmaschinen. Aber der Eindruck täuscht. Ocean ist schon seit seiner Kindheit selbsterklärter Autonarr. Macht also Sinn, dass auf seinem 2011 veröffentlichten Debüt-Mixtape nostalgia, ULTRA. ein dem Titel entsprechender, orangefarbener BMW M3 E30 wie ein wildes PS-Biest aus dem Unterholz geschlichen kommt. Der BMW sei sein Traumwagen, so Ocean. Im Herzen scheint dem East- Coast-Rapper eher nach Hardcore als nach Kuscheln zu sein.

Dieser Beitrag ist in der INTERSECTION Nr. 27 erschienen.

Verwandte Artikel