Das Interface

Über Autos und ihre Schnittstellen

Das Verhältnis von Mensch und Maschine wird durch ihre Interfaces bestimmt, jenen Schnittstellen und Benutzeroberflächen, die dem Menschen im eine einfache, intuitive und möglichst präzise Steuerung und Kontrolle eines Geräts/einer Maschine ermöglichen sollen. So gesehen sind ein Lichtschalter und der Lautstärkeregler an der Stereoanlage genauso ein Interface wie moderne Touchscreens bei Smart-Devices, Konsolen-Controller oder Laptop-Tastaturen.

Autos hatten praktisch schon immer Interfaces: das Lenkrad, Fußpedale für Gas, Bremse, Kupplung, die Gangschaltung, aber natürlich auch das Armaturenbrett. Und selbst wenn das Erlernen am Anfang schwierig ist und ehemalige Führerscheinprüflinge beim Kneipenbier noch immer von qualvollen Fahrstunden mit „Anfahren am Berg“ zu berichten wissen – wer es einmal gelernt hat, wird es sobald nicht verlernen. Das liegt auch daran, dass das Auto wie kaum eine andere Maschine den Menschen mit allen vier Gliedmaßen gleichermaßen fordert. Es ist wie beim Schlagzeugspielen. Um das Instrument zu beherrschen, müssen beide Füße und Hände unabhängig voneinander agieren können. Das erfordert Ausdauer und Disziplin beim Studium, ermöglicht dem Drummer aber die komplizierte Kunst bis zu vier unterschiedliche Taktarten und Rhythmen parallel zu spielen. Fragen Sie das mal einen Klarinettisten. Jeder, der einmal Go-Kart gefahren ist, weiß, wie physisch, aber vor allem perfekt sich die Arbeitsaufteilung von Pedalen und Lenkrad anfühlt. Das Technologie-Magazin „Wired“ kürte 2008 das Auto mit Handschaltung auch deshalb zu den fünf besten Interface-Designs aller Zeiten: „Perhaps the ultimate muscle-memory interface. […] Everything makes sense.“ Ein Auto ließe sich fahren, als wäre es eine Erweiterung des Körpers, heißt es dort. Und wer sich nicht vorstellen kann, dass Fußarbeit beim Autofahren etwas Virtuos-Musikalisches sein kann, sollte bei YouTube mal nach „Ayrton Senna Heel and Toe“ suchen. Die brasilianische Rennfahrerlegende zeigt hier Jazz-Metal mit Doublebass unter den Autofahrkünsten. Mit Glanzlederslippern in einem Honda NSX wohlgemerkt.

Das heute noch immer gültige Auto-Interface mit Lenkrad und Pedalen gab es schon beim Ford Model T – wenn auch weitaus spartanischer als bei heutigen Cockpits. Aber trotz aller Fortschrittsbemühungen der Automobilbranche in den letzten hundert Jahren, das Lenkrad existiert noch immer. Dabei gab es immer wieder Bemühungen, alternative Steuerkonzepte ins Auto zu bringen. Im Pettycoat-Futurismus in den USA der 1950er-Jahre waren es Ford, die 1954 mit dem Konzeptauto FX Atmos nicht nur ein Auto präsentierten, das wie ein Düsenflugzeug aus dem TV-Cartoon Jetsons aussah, auch wurde das Vehikel mit einem Steuerknüppel/Joystick wie ein Jet gesteuert. In die Produktion schaffte es der FX Atmos allerdings nicht. 1996 stellte Merce- des-Benz den Konzeptwagen F200 Imagination vor. Hier gab es sogar zwei Joysticks zur Steuerung der Limousine. Und auch hier ähnelte das Cockpit, bestimmt nicht ungewollt, dem eines Flugzeugs. Aber auch der F200 Imagination sollte nur eine aberwitzige Träumerei von aeronautophilen Ingenieuren bleiben. Die Kombination Lenkrad und Pedale erwies sich als einfach zu gut, wenn nicht perfekt.

Mit der wachsenden Informationsdichte und immer neuen Steuerungsmöglichkeiten bei Automobilen konnten unterdessen vor allem die Armaturenbretter zur Spielwiese der Integration von zeitgemäßen Technologien werden. An den Dashboards der Autos erkennt man immer auch den technischen Fortschritt der Interfaces der jeweiligen Ära. War der Autofahrer zu Beginn seiner Geschichte nämlich noch ein Kutscher ohne Pferd, wurde der Fahrer auch mit dem Fortschritt der Elektrizität – der Fort FX Atmos deutete es bereits an – stetig mehr zu einer Art Pilot mit Lenkrad. Vor allem seit den späten 1970er-Jahren wurde bei fast allen großen Autobauern mit digitalen LCD-Instrumenten alternativ zu analogen Tachos experimentiert. Inspiriert durch TV-Serien wie Knight Rider, Filme wie TRON, Videospiele und Space-Shuttle-Cockpits wurden Fahrerkanzeln immer mehr zu funkelnden Kommandozentralen mit vor allem ganz schön vielen Knöpfen. Bis dahin waren Autos in der Regel mit Schiebe-, Dreh- und Zugreglern wie Hebeln ausgestattet. Im Fahrzeug der 80er und 90er konnten plötzlich die gleichen Buttons betätigt werden, wie man sie vom VHS-Rekorder, der Fernbedienung und dem CD-Player kannte. Knöpfe drücken war in der Taschenrechner- und späteren PC-Ära schlicht und einfach modern. Wenn auch frickelig, weil das haptische Feedback nicht so eindeutig ist wie bei einem Kippschalter und in der Regel ein zusätzliches visuelles Signal benötigt wird, um anzuzeigen, ob eine Funktion an oder aus ist. Dennoch wurde fleißig ausprobiert: Lancia überzog bei seinen Konzeptmodellen Orca, Medusa und Megagamma das Lenkrad mit Knöpfen, wollte somit die Mittelkonsole überflüssig machen und stellte dem Fahrer Funktionen wie Blinker, Licht, Scheibenwischer bis hin zur Klimaanlage in Button-Form vor die Nase. Zwar stylish, aber auch als untaug- lich erwies sich das futuristische Dashboard des Aston Martin Lagonda, das mit ultraflachen Bedienelementen aufwartete und dadurch in etwa so intuitiv war wie ein Ceran-Kochfeld. Das Autocockpit blieb daher aus guten Gründen eine, wenn auch stetig komplexer werdende, Mischung aus Schaltern, Hebeln, Ableseinstrumenten und Knöpfen.

 

Die letzten Jahre ging es bei Autos, wie in vielen anderen Lebensbereichen auch, vor allem um die Digitalisierung und Vernetzung. Technologien, die man von Smartphones kennt, wie hochauflösende Touchscreens, Sensoren, ultrakleine Videokameras, haben Platz genommen in der kilometerlangen Kabelage der Autos im 21. Jahrhundert. Internetzugang und cloud-basierte Mediendienste spielen heute gleichsam eine wichtige Rolle. Vor allem aber handelt es sich um ein Jahrzehnt der Displays im Sektor Car-Interior. Ob als Head-up-Display, Tachometer-Ersatz oder für die Medien-Navigation, seit einiger Zeit setzen Hersteller gar auf den vollständigen Verzicht von analogen Messanzeigen wie Tachometer, Drehzahlmesser und Tankanzeige. Bei Tesla ist die gesamte Mittelkonsole ein einziger Touchscreen, an dem vom Webbrowsing bis zur Klimaanlage alles gesteuert werden kann. Hier zeigen sich aber auch die Tücken von Interfaces mit fehlender Haptik. Um eine Einstellung zu verändern, muss auf den Bildschirm geguckt werden, was den Fahrer von der eigentlichen Tätigkeit, dem Fahren, ablenkt. Traditionalisten könnten meinen, dass das freudige Installieren von modernen digitalen Features so endet wie bereits in den 80ern. Jedoch dürfte sich das automobile Interface-Design in den nächsten Jahrzehnten in der Tat fundamental verändern. Denn mit der weiterschreitenden Entwicklung von Autopiloten und anderen autonomen Features wie dem automatischen Einparken, könnten Lenkrad, Pedale und Schaltknüppel endgültig obsolet werden. Google hat es mit seiner Koala-Knutschkugel bereits vorgemacht und auch der Konzeptwagen von Mercedes-Benz, der F015, interpretiert das Interior als hochmodernen Konferenzraum, in dem selbst die Türinnenseiten mit Displays ausgestattet sind. In Zukunft muss ein Großteil der Autos wohl nur noch im Notfall manuell kontrolliert werden. Ob es dafür sperrige Lenkräder und Schaltknüppel benötigt, werden die Designer entscheiden müssen. Von der Sprache bis zur Geste sind hier einige Konzepte vorstellbar, aber vielleicht kommt sogar der Joystick zurück. Das wäre doch was.

Text: Ji-Hun Kim

Verwandte Artikel