PHILIPP PLEIN: DER UNANTASTBARE

Er polarisiert. Und überholt die Konkurrenz von rechts. Der Modedesigner Philipp Plein interessiert sich für Erfolg und nicht für Konventionen. Wir haben mit ihm über Autos, Träume und die Zukunft seiner Marke gesprochen.

Er ist vermutlich einer der aktuell umstrittensten und erfolgreichsten Modedesigner. Mit einem Umsatz, der 2016 bei 225 Millionen Euro lag, hat er großen Traditionsmodemarken das Fürchten gelehrt und gibt weiter Gas, denn ihn treibt ein unermüdlicher Motor an, mit dem Ziel noch größer, noch erfolgreicher und noch reicher zu werden. Warum wird der Antiheld der Modewelt von so vielen unterschätzt?  

Es ist ein heißer Augusttag in Südfrankreichs Filmfestival-Stadt Cannes, viele internationale Büros haben bereits Sommerpause, nicht aber Philipp Plein. Das gesamte Design- Team ist angereist und arbeitet an der anstehenden Herbst/Winter- Kollektion im „Pop-up Büro“ seiner Villa, die den Namen „La Jungle du Roi“(zu Deutsch: der Dschungel des Königs) trägt. Gleich am Eingang funkelt einem seine gläserne Garage entgegen, in der sein brauner Rolls-Royce Dawn und sein mattschwarzer Lamborghini Aventador thront. Groß hinter ihnen blitzt eine spiegelnde Aufschrift empor: „Every weapon needs a master“, fast noch besser aber ist die Aufschrift an seinem Terrassenaufgang: „Kiss me like you love me, fuck me like you hate me.“ Philipp Plein, der 1998 seine Marke offiziell registrierte, damals aber noch Möbel designte, lebt und liebt Luxus so laut, sexy und protzig wie es nur geht. Was andere darüber denken, ist ihm gleich, denn was er verkauft, ist ein Traum, es ist sein Traum und wie sich zeigt auch der Traum vieler anderer. Er hat es geschafft, Industrie-Größen wie u.a. Carine Roitfeld, Star-Fotograf Steven Klein oder auch Mega-Publizist Karla Otto für seine „Plein-Group“ zu gewinnen – mittlerweile besteht diese neben seiner Ready-to-Wear- Linie aus der neuen Brand „Plein Sport“ und dem Luxuslabel „Billionaire“. Doch bei Philipp Plein geht es nicht nur um einen extremen, exzentrischen Lifestyle. Als ausgezeichneter Stratege hat sich Plein von Anbeginn seine Underdog-Positionierung zunutze gemacht, ein „David gegen Goliath“. „First rule, no rule!“ In seiner Welt müssen keinerlei Industrie-Ärsche geküsst werden. Warum es so befreiend sein kann, zu seinen Träumen zu stehen und sie mutig und laut zu leben. Ein Gespräch in Pleins Villa in Cannes.

INTERSECTION: Hi Philipp. Schaut man sich hier so um, wirkt es, als lebst du einen riesigen Traum. Wie wichtig sind für dich Träume? Philipp: Sehr wichtig, aber auch gefährlich, denn wenn du deine Träume verwirklicht hast, exakt in der Sekunde, in der dein Traum wahr geworden ist, hast du ihn zerstört, denn der Traum ist Realität geworden und Realität ist kein Traum. Die Realität zeigt uns dann, dass die Träume immer schöner waren als die Realität, immer! Und wenn wir das realisiert haben, folgt die Depression. Wenn du Träume träumst, die wahr werden, musst du dich danach wieder neuen Träumen hingeben, damit du die Energie hast, dich neu zu finden und neue Ziele zu definieren. Erinnerst du dich an dein erstesTraumauto? Ja, das war ein Porsche 996! Und den hast du dir dann auch gekauft? Ja! Ich bin ja in Deutschland geboren und aufgewachsen und da Deutschland ein sehr autoaffines Land ist, entwickelt man automatisch eine gewisse Haltung zu Autos. Ich erinnere mich, dass ich mir den Porsche 996 damals von meinem ersten, selbst verdienten Geld gekauft habe, in Sealgrau mit zimtbraunem Leder und grauem Verdeck. Wie alt warst du da? 24 Jahre! Sechs Monate später bin ich von Düsseldorf nach Nürnberg gefahren. Vor mir hatte jemand die Spur gewechselt, ohne in den Rückspiegel zu schauen und auch ohne zu blinken. Ich fuhr ihm bei seinem Spurwechsel hinten rein, das Auto war dahin. Hast du dir danach gleich wieder ein neues Auto gekauft? Ja, danach habe ich mir wieder einen 996er Porsche gekauft. Dann kam der 997 als Coupé raus, das Auto gab ich damals einem Praktikanten. Auf dem Weg zum Händler gerät er damit in einen schweren Unfall, das Auto überschlug sich drei Mal, ihm ist wundersamerweise nichts passiert, das Auto hatte einen Totalschaden. Ich kaufte mir dann einen Mercedes-Benz SL, der hatte aber natürlich nicht die gleiche Dynamik wie der Porsche und somit auch nicht den gleichen Spaßfaktor, deshalb kaufte ich mir dann wieder einen Porsche, das 997 Cabriolet. Als ich 30 wurde, holte ich  mir einen Aston Martin Vantage, das war aber ein scheiß Auto.

Ein Autokauf ist der erste große Konsum, der dich auch emotional berührt

Warum? Was ist dir an einem Auto wichtig? Der Aston Martin war vom Image her wunderschön und auch cool, vom Fahrverhalten aber keineswegs vergleichbar mit dem Porsche. Ein großer Qualitätsunterschied, eine ganz andere Alltagstauglichkeit und auch ein komplett anderes Feeling. Danach habe ich mir jedenfalls einen Ferrari gekauft, der war wirklich cool und sehr alltagstauglich. Als ich dann 35 wurde, habe ich mir einen Bentley gekauft, zwei Jahre später dann einen Lamborghini. Und dann (kurze Pause) hatte ich irgendwie zu viele Autos. 2015 kaufte ich mir ein Haus in New York mit Garage, ziemlich selten für Manhattan und entschied mich dann für einen Rolls-Royce Wraith. Den habe ich immer noch in New York, den Dawn hier in Cannes sowie den Lamborghini und meinen Audi A8, den nur mein Fahrer fährt. Wie kam es dazu, dass du dir einen Fahrer eingestellt hast, wo du doch selbst so gerne fährst? Ja, als Deutscher brauchst du eigentlich keinen Fahrer, denn du bist verliebt in dein Auto und willst es selber fahren. Hinzu kommt, dass ein Fahrer ja wie dein Schatten ist. Vor fünf Jahren aber habe ich in der Schweiz meinen Führerschein für sechs Monate abgeben müssen, die Strafen sind da ziemlich hoch. Für die Arbeit war ich dann auf einen Fahrer angewiesen, da ich viel pendelte. Ist Autofahren für dich ein Gefühl von Freiheit? Ja, gerade in New York, wo die meisten sagen, dass man kein Auto braucht. Sie verlassen Manhattan ja auch nicht. Der Vorteil beim Autofahren ist, dass du entscheiden kannst, wann du ins Auto steigst und wohin es geht. Du lernst auch eine Stadt ganz anders kennen,wenn du fährst. Als ich mein Auto in New York bekam, habe ich mich wirklich zu Hause gefühlt. Als Beifahrer oder Mitfahrer auf der Rückbank bekommst du oft gar nichts von der Stadt mit. Würdest du auch ein Elektroauto fahren? Ja! Ich denke, ein Auto zu kaufen ist wie eine Modemarke zu kaufen. Du identifizierst dich mit einer Brand. Die einen mögen Sportwagen, die anderen Vintageautos, die anderen wiederum Limousinen. Autos sind in gewisser Weise ein teures Accessoire. Für viele andere ist es sicherlich auch ein Gebrauchsgegenstand um zur Arbeit oder zum Supermarkt zu fahren. Gleiches Phänomen wie in der Mode: Flach betrachtet ist Mode ja auch ein Grundbedürfnis, denn du kannst ja nicht nackt draußen rumlaufen. Die Menschen, die zu Philipp Plein, Prada oder Gucci und Co. laufen, könnten sich ihre Sachen ja auch woanders viel, viel günstiger kaufen. Sie entscheiden sich aber für eine bestimmte Tasche, weil sie die Marke und dessen Image mögen und sich damit identifizieren.

Glaubst du, dass ein Auto auch für Macht steht? In manchen Kulturen oder sozialen Kreisen vielleicht schon, aber lass mich dir was sagen: Die Autoindustrie ist die erste Industrie, die darunter leidet, wenn ein Land eine wirtschaftliche Krise erlebt. Im Rückschluss ist es auch die erste Industrie, die Profit erzielt, wenn die Wirtschaft eines Landes wächst. Warum? Weil ein Auto das erste Luxusgut ist, woran Menschen Geld ersparen, wenn sie kein Geld haben, und es ist das erste Luxusgut, was sie sich kaufen, wenn sie Geld haben, es ist eine Zwischeninvestition. Habe ich mit meinen 24 Jahren auch gemacht, ich konnte mir kein Haus leisten, aber ein Auto. Ja, das erinnert an Helmut Newton in seinen jüngeren Jahren, der kaum seine Miete zahlen konnte, aber einen weißen Porsche fuhr. Die Schriftstellerin Françoise Sagan sagte einmal: „Du kannst dich vielleicht nicht glücklich kaufen, aber was mich angeht, ich weine lieber in einem Jaguar als in einem Bus.“ Siehst du. Ein Autokauf ist der erste große Konsum, der dich auch emotional berührt. Betrachtest du Autos auch als Symbol von Männlichkeit? Du benutzt sie ja auch als Teil deiner Fashion Shows. Natürlich, Männer lieben Frauen und Autos. Und Geschwindigkeit. Bäm, easy as it is. Da gibt es keine komplizierten Geheimnisse. Männer sind in der Regel relativ simpel, sie mögen „Spielzeuge“.

Das ungekürzte Interview erschein in INTERSECTION Nr.33 Text: Sina Braetz Fotos: Stefan Armbruster Alle Looks: Philipp Plein

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