Max Siedentopfs Normcore-Träume

WIE PIMPT MAN DEN NORMCORE? MIT PAPPE. IN SEINER SERIE SLAPDASH SUPERCARS (2015) RÜSTET MAX SIEDENTOPF BANALE MITTELKLASSE-AUTOS ZU IRONISCHEN SPORTFLITZERN AUF. WIE EINFACH, WIE GENIAL!

Max Siedentopf beschreibt sich selbst als multidisziplinären Kreativen. Seine künstlerischen Interventionen und Found-Footage-Montagen stellen mit große  Leichtigkeit immer wieder unsere gängigen Vor- und Werturteile infrage.

In „Funny Money“ (2015-2016) entblößt er unseren (post-kolonialen) Blick auf afrikanische Stereotype, in „Shooting A Selfie While Shooting A Selfie“ (2016) persifliert er die Semantik des Web 2.0 und schickt uns mit samt unser digitalen Eitelkeit in die Wüste. Wer nicht genug bekommen kann von den fabelhaften  Arbeiten von Max Siedentopf, findet mehr unter maxsiedentopf.com.

„We live in a time where individuality, self-expression and status are at an all-time peak. However, for some reason the individualisation of one’s car has drastically decreased over the past few years.“ Das Zitat stammt von dir.

Warum glaubst du geben sich die Leute mit ihren Autos heute nicht mehr so viel Mühe wie früher. Ist Auto-Deko out?

Ich denke schon. Es es wohl wie mit der Mode, man hat sich an einem bestimmten Stil satt gesehen. Ich schätze, es hat aber auch damit zu tun, dass man sich heute schon Neuwagen durch den Hersteller „pimpen“ lassen kann. Mehr das Interior als die Karosserie, aber das reicht den meisten wohl.

Du hast dich offensichtlich mit dem Thema Tuning und Customizing auseinandergesetzt. Wie kam es dazu?

Ich bin mit Xzibit und Pimp My Ride aufgewachsen. Unterbewusst hat glaube ich jeder aus meiner Generation eine Beziehung dazu. Als ich die Idee zum Customizing mit Pappe hatte, musste ich mich natürlich erst mal für ein paar Wochen in das Thema vertiefen und mich auf verschiedenen Tuning-Seiten schlau machen.

Die Autos, die du verschönerst, sind klassische Normcore-Wagen. Was würdest du mit einem Tesla oder einem Ferrari machen?

Das sind doch schon Supercars.

Wie arbeitest du eigentlich genau? Hast du ein Standardrepertoire an Papp-Elementen dabei oder schneidest du die Muster vor Ort zu?

Die Serie sieht aus, als ob sie schnell in 5 Minuten an einem Abend gemacht wurde. Es hat aber leider etwas länger gebraucht. Jeden Abend habe ich ein komplettes Set fertig gebaut und dann am nächsten Morgen zwischen 4.30- 5.30 Uhr versucht, das perfekte Auto für die Teile zu finden. „Die Serie heißt „Slapdash Supercars“, da ich die Teile an Autos „geslaped“, ein paar Fotos gemacht habe und so schnell wie möglich „weggedashed“ bin.

Die Serie sieht aus, als ob sie schnell in 5 Minuten an einem Abend gemacht
wurde. Es hat aber leider etwas länger gebraucht.

Ist das eigentlich Kunst, was du da machst?

Wir unterhalten uns hier gerade in einem Auto-Magazin über die normalsten Autos, die es gibt, die mit etwas Pappe getuned wurden. Sieht das etwa nach Kunst aus?

Gab es jemals Feedback von den Besitzern?

Erstaunlicherweise die letzten Monate nicht. Aber aus Zufall habe ich gerade gestern eine Drohung bekommen.

Schon mal von der Polizei erwischt worden?

Noch nicht.

Was fährst du privat für ein Auto?

Fahrrad. Ich wohne in Amsterdam. Hier ein Auto zu besitzen ist viel zu anstrengend.

Du hast u.a. in Afrika, Berlin und LA gelebt. Haben Autos an diesen Orten der Welt eine grundsätzlich andere Bedeutung und Funktion?

Auf jeden Fall! Allgemein ist mir aufgefallen, dass in Europa Autos mehr als Gebrauchsgegenstand dienen um von A nach B zu kommen. Die wenigsten interessiert es, wie klein oder alt ihr Auto ist. Im Gegensatz dazu ist in Afrika und den USA das Auto ein großer Teil des eigenen Lebens. In LA fährt man täglich mindestens zwei Stunden, da die Stadt so riesig ist oder man ständig im Stau steht. Deshalb dient das Auto dort auf jeden Fall mehr als Statussymbol, für viele auch als zweite Wohnung.

Dein Traumauto?

Ein Holländischer Canta LX.

 

Das Interview erschien in INTERSECTION Nr. 28

Text: Ruben Donsbach

Fotos: Max Siedentopf

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