RELIQUIE AUS PAPPE: SHANNON GOFFS LINCOLN

DIE AMERIKANISCHE KUNSTLERIN S H A N N O N G O F F HAT DEN LINCOLN CONTINENTAL MARK V IHRES GROSSVATERS IN PAPPE NACHGEBAUT. FUR SIE IST ER EINE RELIQUIE DES AMERICAN DREAMS

Geboren und aufgewachsen in Detroit, hat die Künstlerin Shannon Goff den Niedergang der amerikanischen Autoindustrie selbst erlebt. Über Jahrzehnte brach die Produktion in der Motor-City ein, die Innenstadt verwahrloste, die Bewohner zogen weg. Nun hat sie ihrer Heimatstadt und der ikonischen Marke Lincoln ein fragiles Denkmal gesetzt. Goff hat den 1979 Continental Mark V Special Edition ihres Großvaters in Pappe nachgebaut. Während das exzentrische Original mit Türkis-Metallic- Lack, weißem Vinyl-Dach, türkisfarbenen Ledersitzen und Cartier-Uhr protzte, ist der detailreiche Nachbau komplett in Weiß gehalten.

Der Ansatz ihrer Arbeit Miles to Empty sei es gewesen, „die Fixierung der amerikanischen Gesellschaft auf Macht, Luxus, Komfort und Autonomie“ zu beleuchten. Denn der Wagen war schon 1979 völlig aus der Zeit gefallen. Desillusioniert von Watergate und dem Krieg in Vietnam war der Mark V so ziemlich das Letzte, wonach der Weltgeist verlangte. Trotzdem war der Lincoln mit Sondereditionen von Givenchy, Bill Blass, Emilio Pucci und Cartier ein großer Erfolg. Gerade weil er, wie die Werbung schlau weissagte, „der Letzte seiner Art“ war. Ein letzter Reflex des Amerikanischen Wirtschaftswunders, für den Goffs Großvater Anthony Locricchio inflationsbereinigt stolze 70,000$ hinlegte. Und das für einen technisch veralteten Spritfresser mitten in der Ölkrise. „Für einen 52-jährigen amerikanischen Sizilianer der ersten Generation ohne Schulabschluss war der Wagen ein  Symbol“, sagt Goff – und er ist es bis heute geblieben, ob nun in Videospielen, Rapvideos oder Wiederholungen von Dallas.

 

„Das billige Material verändert den Blick auf das was der Wagen darstellt“

Sie habe das Material Pappe verwandt um dem verlorenen Handwerk der Männer am Montage-Band Tribut zu zollen, die längst durch die Automatisierung marginalisiert und von modernen Robotern ersetzt worden seien. „Das billige Material verändert den Blick auf das was der Wagen darstellt“, sagt Goff. „Mein Mark V ist mehr oder weniger eine extravagante Box, in der nicht nachhaltige und altmodische Denkmodelle verstaut werden können. Er ist eine Reliquie des amerikanischen Traums und der Fantasie der freien Straße.“

Text: Ruben Donsbach

Bilder: PD Rearick

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