Shooting Tesla

Der niederländische Autodesigner Niels van Roij arbeitet mit seinem Londoner Studio an einer Kleinserie von Tesla Model S Shooting Brakes. Wir haben mit ihm über die Herausforderungen des Umbaus, den Wandel in der Automobilindustrie und die Rolle von Tesla unterhalten.

Wie seid ihr denn überhaupt zu dem Shooting Brake-Projekt gekommen?
Ich glaube, wir haben vor rund einem Jahr angefangen. Ein Unternehmer wollte seinen Tesla umbauen lassen. Ursprünglich sollten wir jetzt schon fertig sein, aber bei so einem extrem persönlichen Projekt kommen eben im Prozess neue Ideen dazu und am Ende geht es eher darum, dass der Kunde mit dem Resultat zufrieden ist, als eine konkrete Timeline einzuhalten. Da sind wir bei solchen Auftragsarbeiten ja im Austausch mit dem Kunden recht flexibel.

Tesla ist ja auch nicht immer so pünktlich bei der Auslieferung …
Das stimmt. Aber das ist eben bei uns der Unterschied zwischen einem Massenprodukt und einer
Maßanfertigung.

Was habt ihr denn alles an dem Fahrzeug verändert?
Am Ende sollen rund 20 Fahrzeuge entstehen, die alle das gleiche Exterieur haben. Der ganze Karosserieumbau wird also identisch sein. Wir haben hier zum Beispiel ein sehr markantes Element an den hinteren Fenstern. Bei dem ersten Fahrzeug wird es komplett aus Chrom sein, einer der größten Chromelemente, die je in einem Auto verbaut wurden. Es ist handgefertigt, aber wenn ein anderer Kunde das Teil aus gebürstetem Aluminium oder Carbon möchte, dann ist das auch möglich. Aber wir müssen von Anfang an so planen, dass bestimmte Elemente auch aus unterschiedlichen Materialien funktionieren, je nachdem was der Kunde wünscht. Beim Interieur gibt es mit Farben und Materialien unendlich mehr Möglichkeiten. Das ist etwas, das wir in Ruhe mit dem Kunden besprechen. Überhaupt geht es erst mal darum, möglichst viel über sein Leben und seine Interessen zu erfahren. Wie ist seine Wohnung eingerichtet? Wie verbringt er seine Freizeit? Das sind alles wertvolle Hinweise um gemeinsam ein sehr persönliches Automobil zu
entwerfen.

Wie lief das bei diesem ersten Tesla-Umbau?
Der Kunde ist ein Sammler von Shooting Brakes. Er hat eine ganze Menge, die er auch restauriert hat. Er wollte also ein typisch britisches, dunkles Grün, ein Racing Green. Er hat seinen Tesla sogar in dem sehr seltenen Werksgrün gekauft. Am Ende ist es ein etwas spezielleres, tieferes Grün geworden, das wir nach vielen Versuchen für ihn gefunden haben und das sich an dem Grün in dem Logo seiner Firma orientiert und das so eine viel persönlichere Bedeutung
für ihn hat.

Was habt ihr im Innenraum alles verändert?
Manches ist sehr subtil, die Farbe des Lederlenkrades zum Beispiel. Oder ein Detail, das praktisch
niemand sieht: Das Handschuhfach ist in den allermeisten Autos einfach schwarz, aber wir haben
hier die Farbe des Exterieurs aufgegriffen. Ein kleines Easter-Egg, wenn man so will, das eigentlich nur der Kunde sieht. Aber sonst ist im Innenraum viel möglich. Statt den zehn Standard-Lederfarben kann man zum Beispiel auch mit Tweed arbeiten, einem sehr britischen Material mit einem starken Jagd-Bezug.

Eine Limousine in einen Shooting Brake umzubauen ist schon kein kleiner Schritt. Wie seid ihr da vorgegangen?
Zuerst haben wir uns ein paar Shooting Brakes als Benchmark angesehen. Wie dynamisch soll das Ergebnis werden, wie formal? Dann haben wir drei Konzepte entworfen. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, das Fahrzeug ab der B-Säule komplett zu verändern, was natürlich ein sehr aufwendiger und teurer Umbau geworden wäre, gerade wenn es nicht um eine Großserie, sondern um 20 Stück geht. Die beiden anderen Entwürfe haben erst an der C-Säule, also nach der hinteren Türe angesetzt. Hier war die Herausforderung die Linie der Fenster der hinteren Türe in das Shooting Brake- Design zu integrieren. Am Ende haben wir uns für einen Entwurf entschieden, der die Schultern betont und dem Wagen Dynamik verleiht.

„Es ist an der Zeit sich einzugestehen, dass wir wunderschöne Motoren entwickelt haben, die tollen Sound
fabriziert haben, die schnell waren, aber die jetzt eben in die Vergangenheit und ins Museum gehören.“

Der Kunde bringt also sein Model S. Was kostet dann der ganze Umbau?
Natürlich gibt es viele Individualisierungsoptionen, aber der Grundumbau liegt bei 65.000 €.

Du hast in einem Interview mal darüber gesprochen, dass die ganze Autoindustrie vor einem großen Paradigmenwechsel steht. Wo siehst du die Veränderungen genau?
Die gibt es auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Ein wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass sich viele Hersteller vom Verbrenner verabschieden und immer mehr auf alternative Antriebe konzentrieren. Für das Design hat das ganz fundamentale Auswirkungen, schließlich ist die typische Motorhaube plötzlich obsolet. Tesla nutzt den Raum für einen zweiten Kofferraum, weil sich das Design noch an dem konventionellen Three-Box-Design orientiert, aber ich denke, das wird sich bald ändern und die Kunden werden sich an neue Designs gewöhnen. Dann öffnet sich mit der Elektromobilität der Markt für ganz neue Hersteller. Die Motoren sind viel simpler und plötzlich unterhalten wir uns mit Elektronikkonzernen darüber, wie sie ein Elektroauto bauen können. Das wäre vor Kurzem undenkbar gewesen, dazu war die Motorentechnik viel zu komplex und der Entwicklungsaufwand viel zu groß. Heute kann man mit viel weniger Kapital und technischem Know-how in den Automobilmarkt. Das wird einiges durcheinanderbringen!

Viele der großen Automobilkonzerne wie VW, Daimler und BMW haben eigene Elektro-Submarken gegründet. Sie sehen also den Wandel kommen, aber auf der anderen Seite halten sie das Thema künstlich klein und trennen es von den Hauptmarken ab. Das ist schon etwas bizarr.
Absolut. Das liegt aber auch daran, dass bei vielen Marken die Entscheidungsträger ein sehr persönliches Verhältnis zum Automobil haben und dabei aus den Augen verlieren, was für die Kunden relevant ist. Wie viele Kunden wissen denn heute schon, was ein Heckantrieb für das Fahrverhalten bedeutet?

Den meisten ist das vielleicht auch einfach egal. Gleichzeitig haben viele Ingenieure ein zwiespältiges Verhältnis zum Elektroantrieb, gerade weil er so simpel, so banal ist. Da sitzen Leute in Positionen, an denen sie die Industrie in ein neues Zeitalter führen müssen, aber sie hängen ihrem perfekten Stück Technologie hinterher, das viele Kunden nicht mehr interessiert.
Ich denke, da ist etwas dran. Wenn man sich nur die Dampfmaschine ansieht, wie fantastisch sie
aussieht und wie viel Kraft sie aus Dampf generiert. Aber sie ist eben auch dreckig und ineffizient und verpestet die Luft. Sie ist schön im Museum anzusehen. So ist es eben auch mit dem Verbrennungsmotor. Er ist ein über einhundert Jahre altes Konzept, das einfach ausgereizt ist, dessen Entwicklung fertig ist. Es ist an der Zeit sich einzugestehen, dass wir wunderschöne Motoren entwickelt haben, die tollen Sound fabriziert haben, die schnell waren, aber die jetzt eben in die Vergangenheit und ins Museum gehören.

Hat Tesla diesen Paradigmenwechsel angestoßen?
Alle haben gesagt, es ist nicht möglich, Elektroautos mit einer großen Reichweite zu bauen, die von den Kunden auch bezahlbar sind. Tesla hat allen gezeigt, dass es geht. Tesla hatte praktisch kein Kapital, keine Erfahrung im Automobilbau. Trotzdem hat es diese kleine Firma aus dem Nichts geschafft und die Leute lieben ihre Autos. Klar gibt es da noch Spielraum, was die Materialien und die Qualität betrifft, aber sie haben gezeigt, dass es machbar ist.

Was sind denn für dich persönlich Designikonen? Welche Modelle bedeuten dir etwas?

Da wäre einmal die Citroën DS. Solche Autos werden heute einfach nicht mehr gebaut. Es war ein völlig aufrichtiges Auto. Sie wollten ein komfortables, luxuriöses Auto bauen und das haben sie getan und das Konzept dabei nicht verwässert. Dann hat mich zum Beispiel BMW mit dem i3 und dem i8 beeindruckt. Die waren wirklich sehr mutig mit einem Jahrhundert Automobiltradition zu brechen und etwas so radikal anderes auf die Straße zu bringen, mit neuen Antrieben, neuen Produktionsmethoden, neuen Materialien im Interieur und Exterieur. Auch das sind aufrichtige, ehrliche Autos mit einem klaren, starken Statement. Man mag sie oder nicht. Ich denke wir brauchen wieder mehr solche Autos.

Mercedes-Designchef Gorden Wagener hat angeblich einmal gesagt, es wäre sein Traum, den Porsche 911 zu designen. Welches Modell fällt dir da ein?
Das ist wirklich sehr schwierig. Ich hätte wahnsinnig gerne an dem ersten Rolls-Royce Phantom nach der BMW-Übernahme gearbeitet. Ich finde, das war wirklich ein großartiger Designjob, der so viel, was die Marke verkörpert, eingefangen hat. Rolls-Royce hatte sich längst verloren und sie haben einfach nur große Autos gebaut, bis der neue Phantom kam, mit fantastischen Proportionen und einem Design, das die Heritage der Marke wirklich erfasst hat.

 

Aktuelle Informationen zu dem Umbau findet ihr auf der Website www.nielsvanroij.com

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