EDWARD BURTYNSKY FOTOGRAFIERT DIE SPUREN DES ERDÖLS
SCHÖNE ZERSTÖRUNG
Oxford Tire Pile #4, 1999, Westley, California, USA
Ohne Öl wäre das 20. Jahrhundert ein anderes gewesen. Öl hat einen rasanten technologischen Fortschritt ermöglicht. Es förderte individuelle Mobilität und das Reisen. Es hat die industrielle Produktion revolutioniert und die Landschaft geformt.
Highway #1, Intersection 105&110, 2003, Los Angeles, California, USA
Manche sagen mittlerweile, ohne Öl wäre es ein besseres Jahrhundert gewesen. Der wichtigste Rohstoff der Welt ist gleichzeitig zu ihrer Geißel geworden. Es geht nicht ohne, aber – auf lange Sicht – auch nicht mit, denn die Umweltzerstörung, die das Öl verursacht hat und verursachen wird, nimmt apokalyptische Ausmaße an. Diese Zusammenhänge zeigen eindrucksvoll die Fotografien von Edward Burtynsky. Burtynskys an die Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts angelehnten Panoramen zeigen die Spuren, die das Öl auf der Erde hinterlassen hat. Die Zerstörung, die Ölpumpen, Reifenberge, gigantische Straßenkreuzungen, Raffinerien oder den Oilspill im Golf von Mexiko 2010, dessen Folgen das Ökosystem des Atlantiks noch in Jahrzehnten belasten werden. Dabei ist der kanadische Fotograf aber kein Umweltaktivist. Seine Bilder thematisieren auch die Ambivalenz des Rohstoffes: Sowie das Öl nicht nur Zerstörung, sondern auch unverzichtbare Fortschritte gebracht hat, liegt in Burtynskys exakt komponierten Bildern eine große Schönheit. Burtynsky ist ein Soziologe des Ästhetischen. Er spürt den Strukturen und grafischen Mustern nach. Man könnte das für zynisch halten. In Wahrheit steckt aber eine Faszination für die Wucht dahinter, mit der der Mensch sich den Planeten in kürzester Zeit zu eigen gemacht hat. Neben dem Schrecken bleibt deshalb beim Betrachten dieser Bilder auch ein Gefühl von Ehrfurcht zurück.
Text: Hendrik Lakeberg
Fotos: Edward Burtynsky, Courtesy Galerie C/O Berlin
Erschienen in INTERSECTION Nr. 11