EINE UNTERHALTUNG MIT GUSTAVE DJON TOUG VON MAZDA

Wenn wir an Automobil-Design denken, haben wir vermutlich ein hochtechnologisiertes Bild davon im Kopf, wie dieser Prozess in sich aussieht. Eine klare Vorstellung dessen, wie dieses Objekt, was in unserem täglichen Leben eine wortwörtlich so tragende Rolle spielt, entsteht. Sicher gehören klassische Handwerkskunst und gigantische Silhouetten aus Ton, die in feiner Detailarbeit entworfen werden, nicht dazu.
Genau das sind aber tatsächlich primäre Prozess-Bestandteile für Mazda. Wie genau aus Vision Konturen entstehen und was man unter japanischer Handwerkskunst versteht, hat uns Senior Designer Gustave Djon Toug erzählt und erschafft dabei ein deutliches Abbild von Leidenschaft, Reflexion und einem gewissen Verständnis für zurückhaltende Innovationskultur, aus der man immer weiter lernen kann.

Gustave, was fasziniert dich an Autos?
Hier müssen wir in meine Kindheit zurückkehren. Ich bin in Kamerun geboren und meine Großmutter hatte mir immer diese Spielzeugkataloge gegeben. Die waren voll von kleinen Miniatur-Autos. Während andere Kinder Geschichten vorgelesen bekamen, habe ich den Katalog studiert und fing an zu hinterfragen: Was ist das für ein Auto? Ich hatte dann auch eines dieser kleinen selbstfahrenden Autos und habe angefangen, diese aus Papier und anderen Materialien nach zu basteln. Das war quasi meine erste Design-Erfahrung, auch wenn ich damals gar nicht wusste, was Design überhaupt ist. Ich habe diese Miniatur-Autos dann auch auseinander gebaut, um herauszufinden, wie sie funktionieren und wie sie sich zusammensetzen – das fasziniert mich bis heute.

Erinnerst du dich an dein erstes Auto? Welches war es?
Ich bin in Paris aufgewachsen und eigentlich fast immer Metro gefahren. Als wir in Paris lebten, hatte mein Vater einen alten Mercedes 190. Ich bin damals noch zur Schule gegangen, als er mir von Zeit zu Zeit zeigte, wie man fährt und mir auch etwas über den Motor und den Antrieb erklärte. Dennoch interessierte ich mich seit meiner frühen Kindheit mehr für den Designaspekt von Autos. Autofahren soll eine leichte, schöne Erfahrung sein, die sich über Generationen hinweg verbessert. Wichtig ist auch der Wohlfühlaspekt für mich. Als Designstudent war Mazda schon immer eine sehr präsente Marke in meinem Kopf, besonders wegen dem japanischen Design. Damals wusste ich noch gar nicht, was gutes Design ausmacht. Ich habe mir dann viele der Designs näher angesehen und festgestellt, dass mehr als nur das Fahren dahinter steht.

Du bist Senior Designer bei Mazda und mittlerweile seit 12 Jahren dabei. Du hast somit schon einige Autos durch ihren Prozess begleitet und konntest erleben, wie aus den Designs Realität wurde. Ihr habt gerade den neuen Mazda CX-60 gelauncht, was macht dieses Modell aus?
Das Design ist so vielschichtig und verbindet viel in sich. Das Besondere ist, dass manche Menschen ihr gesamtes Leben mit Mazda bestreiten. Mit dem CX-60 ist das ebenso möglich. Er ist quasi ein Mazda-Modell für jede Lebensphase. Es ist ein Auto zum Erwachsen werden, für das Leben allein und für die Familie. Ein Auto, das einen nicht nur auf persönlichen Reisen begleitet, sondern wirklich Platz für diese Reisen bietet.

Die Essenz der Marke Mazda liegt im japanischen Design und definiert dadurch einen Großteil der Identität der Marke. Wie würdest du den Kern des japanischen Designs beschreiben und inwiefern differenziert sich das vielleicht vom deutschen Design-Ansatz?
Meine Erfahrung mit japanischen Designern ist, dass alles immer mit einer spezifischen Aufmerksamkeit gemacht wird und die Japaner einen großen Fokus auf jedes kleinste Detail legen. Schon alleine die Art und Weise wie sie sich ‚Hallo‘ sagen ist besonders. Irgendwie fast zeremoniell. Ich glaube, ein Teil dieser Design-Essenz ist der Drang sich ständig zu verbessern und Innovation als Prozess zu sehen. So starten wir nicht immer etwas Neues oder anderes, sondern wir lernen aus dem, was wir bereits erstellt haben und versuchen diese Idee weiter voranzutreiben und sie weiter auszubauen.

Könnte man also sagen, dass japanisches Design eine etwas zurückhaltendere Innovationskultur hat?
Ja, so könnte man es sagen. Jedes Auto, jedes Design wird bei uns erst in Ton erstellt, durch eine Technik, die wir Clay-Modelling nennen und die von Takumi-Meistern ausgeführt wird. „Takumi“ Master sind Mazda’s Spezialisten, die mehr als zehn Jahre Erfahrung im Ton-Modellieren haben, um diese Perfektion zu erreichen. Erst nach dieser Zeit dürfen sie sich auch „Takumi“ nennen. Bei jedem neuen Fahrzeug haben die Takumi-Meister unsere Kodo-Designphilosophie mit innovativer Bildhauertechnik kombiniert. Sie arbeiten mit einem speziellen Ton und formen ihn, bis er schlussendlich lackiert und poliert wird. Dann kommt die Farbe und man kann anfangen, die Reflexion zu testen, sehen, wie das Spiel von Licht und Schatten in dem jeweiligen Design zur Geltung kommt.

Reflexion und die Verbindung von Licht und Schatten spielen eine tragende Rolle in den Designs von Mazda, ganz nach der Philosophie der „Art of Light“, der sogenannten „Takuminuri“. Wieso ist Reflexion ein so kraftvolles Stilmittel und von solch hohem Stellenwert?
Art of Light ist die Philosophie der Bewegung. Unser Chefdesigner hat einmal sehr schön gesagt, dass er Mazda-Autos überall auf der Straße, egal auf welchem Kontinent, anhand dieser Reflexion erkennt. Die Umsetzung bei Mazda ist einmalig, es steckt unheimlich viel Zeit, Arbeit und Präzision in diesem Prozess. Ich denke, die Relevanz ergibt sich hauptsächlich daraus, dass diese Reflexion Bewegung einfängt und widerspiegelt. Das Auto wird damit Teil seiner Umwelt. So fließt die Funktion ins Design und erschafft etwas Schönes und Zeitloses.

Durch derartige Reflexionen wird das Auto auch mehr Teil seiner eigenen Umwelt, verschmelzt quasi mit dieser. Und irgendwie sieht das eigene Auto nie genau gleich aus, es verändert sich mit seiner Umwelt, dabei spielt Farbe als Basis eine große Rolle, vor allem die Nuance Soul Red Crystal. Wieso würdest du sagen, ist das eine besondere Farbe für euch?
Es ist eine spezielle Technologie, die man dafür braucht. Und dann braucht man etwas, das tief und intensiv genug reflektiert. Dieses Rot hat das alles und stellt eine sehr gute Balance für dieses Design her. Außerdem reflektiert diese Farbe für uns auch noch mal verstärkt das Gefühl von Passion.
Mithilfe des Konzepts von Art of Light beziehungsweise Takuminuri haben wir den neuen Farbton Soul Red Crystal entwickelt, der aus drei verschiedenen Rottönen besteht. Allein die erste Generation von Soul Red besteht aus mehr als 100 Pigmenten. Alle Elemente für diese Farbe sind inspiriert von Japan und stammen von dort. So definieren wir unser “Crafted in Japan“-Erbe neu.

Wir hatten bereits über die zurückhaltende Innovationsstruktur von Mazda gesprochen und vor allem aber auch über den besonderen Designprozess, welcher auf der japanischen Handwerkskunst Kodo Design beruht. Würdest du sagen, Autos sind demnach fahrende Kunst?
Kunst ist ein weiter Begriff. Wenn wir aber tiefer in den eigentlichen Prozess gehen, fangen wir bei Mazda mit Ton an. Jede Linie, jeder Schatten, jede Lichtreflexion und der Verlauf all dieser Elemente sind angelegt und gemeinsam enthüllen sie ein unerwartet schönes Objekt. Deswegen könnte man aus meiner subjektiven Wahrnehmung sagen: Ja, das ist Kunst. Schon allein, weil Künstler daran arbeiten. Man kauft sich ein Auto aus einem funktionalen Grund, aber man blickt dennoch auf das Design. Sofern man die Möglichkeit hat zu entscheiden, ob man sich denn ein Auto, welches einem besonders gefällt.

Du bist der Kunst selbst nicht fern, wie kam es dazu? 
Das war ein Prozess für mich. Ich komme aus Kamerun und bin in Europa aufgewachsen und habe dadurch wieder eine andere Erfahrung und Sprache wahrgenommen. Ich denke, diese Erfahrungen machen mich schlussendlich zu dem Menschen, der ich bin. Ich zeige durch meine Kunst meine Sicht auf die Welt. Meine Bilder sind eine Repräsentation meiner Reise. Jede Reise bringt etwas Neues. Ich glaube, der Mensch wurde zum Fokus meiner künstlerischen Arbeit, weil ich Menschen unheimlich interessant finde. Wir sind alle so verschieden, aber dennoch sind wir alle zusammen hier auf dieser Erde. Ich sehe Menschen wie ein farbiges Patchwork und das bringe ich dann auf die Leinwand.

Fokus deiner Malerei ist der Mensch, während sich deine Arbeit nicht zwangsläufig aktiv um diesen dreht, sondern um das Produkt. 
Die Malerei und das Automobildesign – beides ist Teil von mir. Bei beiden liegt der Fokus auf Emotionen und auf Menschen. Bei Mazda heißt unsere Designphilosophie Kodo: Seele der Bewegung. Was bedeutet, dass man einem Objekt Leben einhaucht und seine eigenen Emotionen in seine Kreation einfließen lässt. Das ist es auch, was Kunst für mich als Künstler bedeutet. Es geht um Emotionen, ich benutze meine Emotionen, um zu entwerfen oder Kunst zu schaffen. Und am Ende des Tages bin ich glücklich, wenn dieses Gefühl von jemandem reflektiert und erlebt wird, der meine Bilder oder die Mazda-Autos ansieht.

Wirkt sich deine eigene Kunst auf deine Arbeit mit und für Mazda aus oder auch andersherum?
Ich denke schon. Ich nähe gerne und zeige viel über mich durch meine Art, mich zu kleiden. Ich hatte bei einem Meeting mal eine Jacke an, die ich selbst geschneidert hatte. In dieser Jacke kann man irgendwie die Identität von Mazda erkennen, sie hat so viel Bewegung und Struktur. Ich denke, dass Mazda mich in diesen und vielen anderen Themen inspiriert und ich viel von dieser Designkultur und Passion implementiere und in mich aufnehme.

Interview: Carolin Desiree Becker
Fotos: Mazda

Verwandte Artikel