Forgotten Classic: FORD SIERRA

Die großen Fahrzeughersteller befreien sich Anfang der 1980er-Jahre mit futuristischen Stromlinien aus der Lethargie des Ölkrisenschocks. Einer der großen Bestseller dieser Zeit war der Ford Sierra. Heute aus dem Straßenbild nahezu verschwunden, war er ein stilprägender Vertreter der aufkeimenden Fließheckkultur.

Ford Sierra I RS Cosworth (ab 1985); Foto: Ford

Bei Ford wird bis in die 80er-Jahre auf simple, aber robuste Technik gesetzt. Dieses Konzept beschert dem Konzern weltweit eine treue Kundschaft und einen Platz unter den größten Autoherstellern. Doch die amerikanisch angehauchten Karosserien der Mittel- und Oberklasse referieren mit ihren barocken Ausformungen mehr auf eine glorreiche Vergangenheit, als dass sie die Aufbruchsstimmung des Computerzeitalters reflektieren würden. Die Bereitschaft, diesen Umstand zu ändern, signalisierte man mit einer Reihe von Concept-Cars, die Ford Probe (I-V) genannt werden. Für Aufsehen sorgte unter anderem die extrem aerodynamische geformte Fließheck-Studie des Ford Probe III (nicht zu verwechseln mit dem Sport-Coupé von 1988, bzw. 1993). Der wurde 1981 auf dem Pariser Autosalon präsentiert und verkörperte Ökonomie und Fortschritt wie kaum ein anderes Fahrzeug dieser Zeit. Das von Patrick Le Quement gestaltete Konzept Probe III postuliert eine viertürige, familientaugliche Plattform. Die Auslegung verrät, dass es sich hierbei um den Nachfolger des in Ehren ergrauten Ford Taunus handelt. Das auf den Namen Sierra getaufte Serien-Modell wird schließlich von Uwe Bahnsen aus Le Quements Entwurf geformt und bereits ein Jahr später auf dem Genfer Salon vorgestellt. Tatsächlich ist das Serienprodukt sehr nah an der Studie gehalten, was Begeisterung bei Publikum und Fachpresse weckt. Dank der geglätteten, verwirbelungsreduzierten Flächen und dem sogenannten „Aero-Heck“ kann ein vortrefflicher cw-Wert von 0,34 nachgewiesen werden. Fahrwerkseitig schickt Ford beim Sierra die starre Hinterachse endlich ins Museum und überzeugt mit einer Schräglenker geführten Einzelradaufhängung, bleibt jedoch dem Hinterradantrieb treu. Zur Markteinführung sind die Motoren zwar nicht neu, aber deutlich überarbeitet, was zu niedrigerem Verbrauch und höheren Leistungen führt, wie zeitgenössische Tests belegen. Spannend wird es wiederum ein Jahr später, als auf dem Genfer Salon von 1983 der Dreitürer vorgestellt wird. Zunächst mit dem 2,8 Liter Motor des Ford Capri bestückt, kommt 1985 die erste Turboversion von Tuning Spezialist Cosworth mit über 200 PS zu den Händlern. Stilistisches Charakteristikum und Resultat ausführlicher Strömungsstudien ist der doppelte Heckspoiler, mit dem mächtig Anpressdruck auf die Antriebsräder erzeugt wird. Neben dem obligatorischen Autobahnprestige empfiehlt sich der Wagen für den Motorsport, wo er sowohl bei Rallyes als auch auf der Rundstrecke für Furore sorgt. Auf Letzterer können die Boliden der Ausbaustufe „RS 500“ weltweit namhafte Konkurrenz in den Schatten stellen, den 550 PS sei Dank. Siege in der Britischen, Japanischen und Australischen Tourenwagen Meisterschaft gehören in dieser Zeit zum Geschäft des Sierra. Höhepunkt ist der prestigeträchtige Sieg der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft, bei dem man sich dank Renn-Ass Klaus Ludwig gegen die starken Mitbewerber aus Stuttgart und München durchsetzen kann. Nach elfjähriger Produktionszeit läuft der Ford Sierra 1993 aus. Die Nachfolge tritt der Ford Mondeo an.

 

Text Philipp Stadler

Bild Ford Sierra RS Cosworth, Ford AG

 

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