Forgotten Classic: LANCIA BETA MONTECARLO

Tief sind die Teiche, die sich aus den Tränen über den Niedergang der einstigen Über-Marke Lancia gebildet haben.

Lancia, ein Name, der seit über einem Jahrhundert wie kaum ein anderer für technische Innovation, Prestige und sagenhafte Motorsporterfolge steht. Der Lancia Beta Montecarlo kann dabei sinnbildlich für den Abstieg aus dem Motorolymp stehen. Eine Stilikone, die im Wettstreit zwischen Ambitionen und Marktvorgaben zerrieben wurde. Ende der 1960er-Jahre ist die Nobelmarke Lancia bankrott und wird von Fiat für einen symbolischen Betrag von einer Million Lire übernommen.

Die Modellpalette ist veraltet und so verordnet der neue Hausherr die Entwicklung einer zeitgemäßen, massentauglichen Mittelklasse-Linie. Die Beta-Reihe wird ersonnen und kommt 1972 auf den Markt. Zunächst eine brave Fließhecklimousine Berlina, danach das Coupé, später der von Zagato gezeichnete Spider und das HPE genannte Kombicoupé. Schlussendlich soll 1975 ein handfester Sportwagen das i-Tüpfelchen der Beta-Reihe bilden. Der ursprüngliche Entwurf des futuristischen Wedge-Designs von 1970 läuft noch unter dem Namen Fiat X1/8, später X1/20 und stammt von Großmeister Polo Martin, der bei Pininfarina unter Vertrag steht. In die technische Konstruktion fließen Erkenntnisse des zeitgenössischen Rennwagenbaus. Ein perfekt ausbalanciertes Mittelmotorlayout mit niedrigem Schwerpunkt und guter Übersicht – jedenfalls nach vorne. 

Mindestens einer der Prototypen wird zu Abarth geschickt, inzwischen hauseigenes Tuning und Motorsportlabel bei Fiat, um daraus den wettbewerbstauglichen Abarth 030 Pininfarina zu schnitzen. Nach durchaus vielversprechenden Rennergebnissen entscheidet man sich im Konzern aber zunächst gegen den Abarth und für den Lancia Stratos als zukünftigen Platzhirsch im Sportdress. Die massentauglicheren Alltagsqualitäten der Konstruktion X1/20 sollen in Zukunft als Lancia Beta Montecarlo zum Nachfolger des in Ehren ergrauten Lancia Fulvia avancieren und der Beta-Reihe als Aushängeschild dienen. Doch dafür ist motorseitiges Downsizing angesagt. Anstatt des zwischenzeitlich applizierten V6-Motors aus dem Fiat Dino wird ein Vierzylindermotor aus der Feder des ex-Ferraristi Aurelio Lampredi eingeplant. Der aber ist auf magere zwei Liter Hubraum begrenzt, um die zukünftigen Besitzer vor der Luxussteuer zu bewahren, die der italienische Fiskus bei jedem Kubikzentimeter darüber verlangt. Das reicht im Lancia Beta Montecarlo für muntere 120 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 190 Stundenkilometern.

Leider zu wenig, um mit der Konkurrenz à la Porsche 911, Maserati Merak oder (Ferrari) Dino 208 GT4 mithalten zu können. Zudem zeigen sich Kinderkrankheiten, die dem Zeitdruck bei der Entwicklung geschuldet sind. Die eigenwillige Konstruktion der Bremsanlage lässt die Vorderbremsen festgehen und erweist sich bei Nässe als Sicherheitsrisiko. Obendrein ist Pininfarina als Karosseriehersteller mit dem Rostschutz überfordert. Die Kritik aus den Exportmärkten, vor allem den USA, wo der Beta Montecarlo als Scorpione vermarktet wird, ist verheerend. Nach dreijähriger Bauzeit zieht man 1978 die Reißleine und stoppt die Produktion. Kurze Zeit später erinnert man sich der sportlichen Gene des Lancia Beta Montecarlo. Weil man für die Teilnahme an diversen Rennsport-Serien nur Modelle aus der laufenden Produktion verwenden darf, kommt der Montcarlo (das Beta fällt nun weg) 1980 noch einmal für ein Jahr in Produktion. Zu spät und zu kurz, um aus den folgenden grandiosen Motorsporterfolgen Kapital zu schlagen.

 

Text Philipp Stadler

Bild Lancia

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