ES GIBT KEINE KOMPROMISSE

Max Kobosil, besser noch bekannt unter seinem Nachnamen, bewegt sich zwischen Mailand und Berlin, zwischen DJ-Gigs und seiner ersten Fashionshow mit einer Geschwindigkeit, bei der andere nur staunen können. In Neukölln aufgewachsen, legte er schon früh eine außergewöhnliche Karriere als DJ hin und bespielte die relevantesten Technoclubs weltweit. Mit seiner Klamottenbrand 44 Label Group präsentierte er gerade in Mailand seine erste Show vor Publikum. Im Interview erzählt er von seinen Anfängen und davon, wie er die Balance hält. Und von seinem Traumauto. 

Du hast mit dem Auflegen und der Musik angefangen und bist jetzt Modedesigner: Ist das die selbe Community, die du ansprichst?
Also, ich denke nicht so viel in Richtung Zielgruppe, sondern frage mich viel mehr, was ich noch zur Mode hinzufügen kann. Und ich denke, 44 ist etwas, was ich 24 Stunden lebe und was einfach authentisch ist. Das ist mein Leben. Das kann ich erzählen und das kann ich transportieren. Es geht mir in erster Linie darum, dass ich einen persönlichen Bezug dazu habe. Viele Designer ziehen ihre Inspiration aus der Clubkultur, aber ich komme aus dieser Kultur. Das ist 100 Prozent authentisch. Um es mal zu verdeutlichen: Wir hatten zwei ausverkaufte Shows, ich habe eine Show tagsüber gespielt, auf dem Open Air Gelände, dann eine nachts im Clubs, vier Stunden geschlafen. und dann bin ich nach Mailand zur Fashionshow. Auflegen macht mir immer noch extrem viel Spaß und das will ich auch nicht ändern. Wenn ich dann durch die Welt reise und in L.A., New York, Bogota, Sao Paulo oder Buenos Aires bin, lasse ich mich von den ganzen Leuten und Orten inspirieren, sauge das auf und probiere, es dann in meiner Mode zu verarbeiten.

Wie empfindest du die Kreativität in den unterschiedlichen Bereichen? Wie unterscheidet sich dein Arbeitsprozess?
Bei der Musik ist es viel spontaner, je nach Mood. Und bei der Mode arbeitet man viel mehr im Voraus und durchdenkt das Konzept öfter, hat Zeit nochmal Dinge zu ändern. In zwei Wochen muss ich schon die nächsten Prints für den Winter 2023 abgeben. Das ist dann sehr viel stärker konzeptionell. Mir macht es auch sehr Spaß, eine Geschichte zu transportieren.

Ist das eine oder das andere für dich persönlicher?
Nein, sowohl die Musik als auch die Mode sind absolut ich. Also wirklich. Es gibt keine Kompromisse.


„44 ist etwas, was ich 24 Stunden lebe und was einfach authentisch ist. Das ist mein Leben. Das kann ich erzählen und das kann ich transportieren.“

 

 

Look 44 LABEL GROUP

Du hast gerade deine neueste Kollektion bei der Mailänder Fashion Week präsentiert, die erste Show mit physischem Publikum. Wie hat sich das angefühlt?
Das war komplett anders als beim Auflegen. Ich bin es eigentlich gewohnt, vor 10.000 oder 15.000 Leuten aufzulegen, das ist für mich gar kein Problem. Ich bin hinter meinem DJ-Pult und bin die ganze Zeit beschäftigt. Im Backstage von der Fashionshow habe ich natürlich auch was zu tun, aber wenn es dann heißt, rauszugehen, bin ich viel schüchterner. Man bedankt sich eigentlich nur kurz, dass die Leute da waren, aber es ist eine ganz, ganz andere Geschichte. Ich habe das auch ein bisschen unterschätzt und gedacht, wenn ich vor 10.000 Leute auflege, sind 750 Leute nichts für mich.

Das war ja auch der Wahnsinn. Viele Leute standen ja teilweise noch hinter der Absperrung.
Es war wirklich wahnsinnig. Ich habe irgendwann meinen Kopf rausgestreckt, um zu gucken, was passiert und konnte nicht glauben, wie viel los war. So krass.

Warst du nervöser als vor einem DJ-Gig?
Hundertprozentig. Ich weiß nicht, ob sich das legt und vielleicht ist es nur Routine. Andere Designer, die schon ihre 100. Show hinter sich haben, sind vielleicht weniger aufgeregt.

Wobei, wer weiß, es gibt ja Leute, die sind immer noch genauso nervös wie bei der ersten.
Nervös sein ist auch was Schönes, das erdet einen. Da fühlt man sich wieder verletzlich

Die Kollektion vereint Punk, Subkultur und natürlich die Clubkultur. Was war dir persönlich wichtig? Welche Einflüsse gab es für dich? Ist das auch ein Versuch, Berlin in der internationalen Modeszene zu verankern?
Berlin ist schon lange eine Referenz. Und für mich ist es einfach my way. Ich bin hier geboren. Ich lebe mein ganzes Leben lang hier und bin in der Clubkultur aufgewachsen. Ich bin spätestens mit 18 das erste Mal in den Club, deswegen bin ich in der Szene eigentlich ein alter Hase. Und für mich ist Authentizität das Wichtigste. Wir treffen uns hier gerade auch in Neukölln, ich lebe mein ganzes Leben lang hier und die 44 ist die alte Postleitzahl von Neukölln. Ich denke, das merken die Leute auch. Und wenn sie es noch nicht gemerkt haben, werden sie es demnächst merken.

Du hast angefangen, Mode zu machen, indem du T-Shirts für deine Freunde produziert und sie dann verschenkt hast.
Ja, das stimmt. Ganz am Anfang, 2015/16, habe ich mal 20 T-Shirts gemacht nur für meine Freunde. Und dann irgendwann, als die Anfrage größer wurde, habe ich das auf meine Internetseite gestellt. Das wurde dann superschnell angenommen und wir haben auch viel verkauft. Dann habe ich jedes Jahr einen Drop gemacht und immer weiter probiert, die Stückzahlen zu erhöhen, weil der Bedarf einfach da war. Das haben wir übrigens alles in der Wohnung von meiner Mama, hier oben, vertrieben. Und das war dann einfach nicht mehr zu stemmen. Meine Freunde haben, glaube ich, 16, 17 Stunden gepackt. Da war dann auch klar, dass wir ohne professionellen Background so nicht mehr weitermachen können.

Wo willst du mit dem Label hin? In die High-Fashion-Richtung oder eher in der Street- und Clubwear?
Als High Fashion würde ich das Label nicht bezeichnen, eher als Elevated Clubwear, mit Streetwear-Einflüssen. Für mich ist das Wichtigste, dass es nachhaltig und gut produziert ist. Und wenn man wirklich mit professionellen Leuten wie mit Claudio Antonioli oder Marc Göhring zusammenarbeitet, dann funktioniert es anders auch gar nicht mehr.

Gibt es einen Bereich, in dem du dich aus einer kreativen Perspektive mehr Zuhause fühlst?
Ich habe mich schon sehr früh für die Mode interessiert. Meine ersten Gagen habe ich schon in Mode investiert und wurde dafür von meiner damaligen Umgebung auch ein bisschen belächelt, im Sinne von: Wie kannst du dir so teure Sachen holen? Aber hier aufzuwachsen hat mich auch geprägt. Uns war es schon immer wichtig, einzigartige Klamotten zu haben und deswegen ist es für mich in meiner DNA verwurzelt. Aber auf diesem Level ist das natürlich was komplett Neues und ich hoffe auf alle Fälle und bin mir sicher, dass ich da auch ein Zuhause finden werde. Und bin sehr happy darüber, dass ich meine Kreativität 50:50 zwischen der Musik und der Mode teilen kann.

Können wir bald auch Shows in Berlin erwarten? 
Ich sage nicht nein, denn wir sind gerade dabei, so eine Sache zu diskutieren. Ob Mailand oder Berlin, lasse ich noch offen.

Kannst du dir vorstellen, irgendwann mal aus Berlin wegzugehen? Oder bleibt Berlin immer deine Base?
Berlin bleibt immer in meinem Herzen. Hundertprozentig. Aber tatsächlich ziehe ich jetzt nächsten Monat nach Mailand. Ich habe gerade eben erst den Vertrag für meine Wohnung bekommen.

 

„Nervös sein ist auch was Schönes, das erdet einen. Da fühlt man sich wieder verletzlich.“

 

 

Look & Kette 44 LABEL GROUP Schuhe TALENT'S OWN

Witzig, ich wollte dich fragen, ob es Mailand wäre, wenn es nicht Berlin wäre.
Aufgrund meines heavy Tour Schedules kann ich einfach nicht mehr pendeln. Ich trudel normalerweise nach ein paar Gigs montags hier ein, um ein paar Sachen zu erledigen und fahr dann dann wieder weiter nach Mailand. Und diesen Sprung, den spare ich mir jetzt einfach, indem ich toure, dann in mein neues Zuhause nach Mailand komme, dort in mein Design Office gehe, ab und zu ins Press Office gehe und von da aus wieder in die Welt starte.

Wie geht es dir damit, nach der Coronapause wieder so viel unterwegs zu sein?
Ich habe ein super Team im Rücken, die mir viel abnehmen. Ich muss mich wirklich nur noch auf das Kreative konzentrieren. Anders wäre es nicht möglich, so ein Pensum zu fahren, das ist klar. Aber ehrlich gesagt, ich habe das On-tour-sein auch vermisst. Es ist irgendwie mein Leben. Vor 2020 war es wirklich krass, dann kam Corona, da war natürlich erstmal Flaute. 2021 ist es dann wieder langsam gestartet und jetzt habe ich das Gefühl, es ist wieder richtig zurück. Und hoffentlich bleibt es auch so, aber ich habe keine Probleme.

Wie hältst du da die Balance?
Ich probiere, wenn ich irgendwo Aufträge habe und unterwegs bin, meine Freundin und meine Family einfliegen zu lassen und dann dort die Zeit gemeinsam zu verbringen.

Für Intersection haben wir dich vor einem BMW-Oldtimer fotografiert. Bevorzugst du Oldtimer oder neue Autos?Das ist schwierig. Beide sind eine Klasse für sich. Oldtimer haben immer einen gewissen Stil und Klasse. Und die neuen Modelle sind meistens in Verruf und wirken protzig. Aber ich mag auch moderne Autos, die viel PS haben und sportlich sind. Dafür habe ich schon ein Faible.

Wenn du dir ein Auto aussuchen könntest, welches wäre das?
Porsche 911 GT2 RS.  

Hast du in nächster Zeit noch etwas Großes anstehen?
Das Kickoff, der Start der neuen Kollektion. Dann immer wieder Musik zwischendurch und die Releases meines Musiklabels R Label Group. Für mich ist es wichtig, da immer am Zahn der Zeit zu sein. Dass man probiert, die junge Generation zu fördern. Ich habe auch ein starkes Zukunftsdenken und bin deswegen immer auf der Suche nach jungen und neuen Gesichtern.

Konzentrierst du dich da auf Berlin oder machst du das auch international?
International. Es kommt wirklich nur auf die Musik an. Talent und Musik sind das Allerwichtigste. Da werde ich jetzt auch unterstützt, durch meinen langjährigen Freund Somewhen. Er ist auch ein DJ und kümmert sich jetzt mehr und mehr um das Label und die Musikselektion des Labels. Ich habe das seit Anfang 2013 alleine gemacht und es ist auch gut, einen anderen kreativen Einfluss zu haben. Sodass sich das Label auch weiterentwickeln kann.

Danke dir!

 

„Oldtimer haben immer einen gewissen Stil und Klasse. Und die neuen Modelle sind meistens in Verruf und wirken protzig.“

 

Intersection #44

FOTOS: RONALD DICK
STYLING: LUIS HARTMANN
HAARE: MATTHEW BOTAKIS
MAKE-UP: ISCHRAK NITSCHKE
TALENT: MAX KOBOSIL
FOTO ASSISTENZ: JONAS KARSTEN
STYLING ASSISTENZ: ANDREA DAVID

All Looks 44 Label Group

Interview: Antonia Schmidt

 

Verwandte Artikel